AUSSENLAND
Ausstellung im Mannheimer Kunstverein
12.05.2024 bis 28.07.2024
Rezension »Die Rheinpfalz« - 12.05.2024
Alles falsch und doch wahr: Fotografien von Rainer Zerback im Mannheimer Kunstverein
Sigrid Feeser
Die Ausstellung »Aussenland« im Mannheimer Kunstverein widmet sich dem in Ludwigshafen-Gartenstadt wohnenden Fotografen Rainer Zerback – endlich! Seine Wimmelbilder sind perfekt inszenierte Wirklichkeiten. Wie alle Meister ihres Faches geht er über das Naheliegende hinaus.
Endlich ist es soweit. Der Mannheimer Kunstverein hat Rainer Zerback den roten Teppich ausgebreitet. Die Ausstellung war überfällig. Schließlich gehört der Fotograf zum heimischen Künstlerbestand. Wenigstens irgendwie, denn geboren wurde er 1958 in Stuttgart, jetzt hat er Atelier und Wohnung in Ludwigshafen, in der Gartenstadt. Ein bisschen abseits das. Ob das so wichtig ist bei einem, der in der Welt unterwegs ist und in der Region so ziemlich alle Ausstellungsorte abgeklappert hat? Nun sind Wohnorte heutzutage, wo alles digital vernetzt ist (auch irgendwie) ziemlich nachrangig, nur ist es eben so, dass der Prophet zuhause wie ein gutes Möbelstück präsent ist und trotzdem oder vielleicht gerade deshalb weniger sichtbar ist als es ihm und seiner Arbeit zusteht.
Von Touristen überlaufene Bergpfade
»Aussenland« titelt die Ausstellung und das steht auch auf dem feinen Katalog, der pünktlich im Verlagshaus J. S. Klotz erschienen ist. Natürlich ist Zerback kein Prophet, eher ein Beobachter und Seismograph, der aufnimmt, was ansteht und Sache ist, ohne lautes Plärren und Schaum vor dem Mund. Sieh hin! sagen die Fotos, die im Grunde Bilder sind, verdichtete Aufnahmen eines So-Seins, das sich nicht mehr erklären muss. »Zerbacks Fotografien sind eine emphatische Anteilnahme an unserer Welt – Dokument und Interpretation zugleich«, schreiben Friedrich W. Kasten und Martin Stather im Vorwort des bild-schönen Katalogs. Daran kann man sich halten beim Abfuttern der 49 großformatigen Arbeiten – digitale Colorprints, Textildrucke, Inkjetprints –, die sich auf sechs meist mehrjährig laufende Werkreihen verteilen.
Am besten beschreibt man sie als optische Bestandsaufnahmen mehr oder weniger deprimierender Ist-Zustände, die nicht als vorgebliche Dokumentation von Realität an der Wand hängen, sondern als perfekt inszenierte Wirklichkeiten, die durch Bildbearbeitung im Atelier verdichtet, geklärt und ins Surreale gesteigert werden. Denn niemand wird diese gegen jede Logik von Touristen überlaufenden Plätze, Strände, Berggipfel und -pfade, Kletterfelsen und anderen zum Wimmelbild gesteigerten Destinationen der Massenwanderung in der Serie »Places of Interest« für bare Münze nehmen: Alles falsch und doch wahrer als jede sogenannte Realität. Und auch im trübsten Motiv noch schön dazu, in der Bildkomposition, der austarierten Farbigkeit, der inszenierten Atmosphäre, die fast wieder etwas Tröstliches haben.
Verstörend posierende Affen
Zusammengefasst: Rainer Zerback ist ein Meister seines Fachs und wie alle Meister geht er über das Naheliegende hinaus. Für den Mannheimer Altmeister Robert Häusser hat man das treffende Etikett »fotografische Bilder« – und »Bilder« sind Zerbacks zum Teil prall mit Kunstgeschichte kontaminierten Fotoarbeiten jenseits der leicht zu entschlüsselnden, ins Groteske verschärften touristischen Affenwanderungen ja auch. Wer denkt beim nächtlichen Canal Grande im Leuchtkasten, der von einer Boots-Invasion besiedelt wird, nicht an die beiden Canaletto, an Guardi und alle die anderen? Bei wem läuft nicht eine ganze Liste von Referenzbildern durch den Kopf beim Anblick eines Affen, der verstörend menschlich posiert in einem Zoo in einer Art klassischer Ruinenlandschaft (Serie »Habitat«)? Wer wird die fulminanten Beispiele von Falknern in Symbiose mit ihren Vögeln – in der Reihe »Visiones«, die ein besseres Verhältnis von Mensch und Tier fast plakathaft beschwört – nicht in die große europäische Porträtmalerei einordnen? Die klassische Landschaftsmalerei nicht in der Unterwasserwelt von Aquarien wie eine an diesem Ort unerwartete Halluzination entdecken?
»Futur Zwei« am Beispiel von Ludwigshafen
Darf der Fotograf das? Rainer Zerback darf. Von nix kommt nix. Dass Kunst nur aus und über Kunst entsteht, ist ein Gemeinplatz, der immer wieder vergessen wird. Mit Mangel an Originalität hat das nichts zu tun, ganz im Gegenteil. Wer nicht weiß, woher er kommt, wird nie dahinter kommen, wohin er geht. In diesem Kontext wirkt die Serie »Futur Zwei«, die der Reflexion auf unser aller »zukünftige Vergangenheit« (Zerback) am Beispiel von Ludwigshafen gewidmet ist, wie ein knochentrockenes Menetekel. In den farblich bis fast an das Fade ausgebleichten »Contemplationes« darf man zur Ruhe kommen: Ein einsamer Sprungturm im Wasser, ein grafisches Kürzel, im Leeren. Eine Schranke im Nichts. Ein verlassenes Ruderboot, irgendwo gestrandet. Es ist still, eine flirrende Hitze scheint über den Bildern zu liegen. Der Mensch ist weg. Ob er wiederkommt? Leises Unbehagen mischt sich beim Betrachten ein. Für Melancholiker allerdings ist die Serie ein optisches Festmahl.
Die Ausstellung
Rainer Zerbacks Fotografien »Aussenland« im Mannheimer Kunstverein, Augustaanlage 58, vom 12. Mai bis 28. Juli. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag: 12 bis 17 Uhr, Mittwoch: 14 bis 19 Uhr.
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Man sieht es nicht sofort, es scheint alles so harmlos, alltäglich, normal. Aber wenn man es dann wirklich sieht, fühlt man sich irgendwie scheußlich. Fotokünstler Rainer Zerback, 1958 in Stuttgart geboren, in Ludwigshafen lebend, zeigt die von uns geschaffene Gegenwart, unser heutiges Leben, und zwar so, als würde er »von außen«, vielleicht aus einer Orbitalposition, seinen Blick auf uns werfen. Es ist keine Missachtung darin, keine Kritik, er zeigt nur ohne Sym-, Em- oder Antipathie, was ist, und auf den zweiten Blick ist es niederschmetternd.
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