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Ausstellung in der Galerie im Ersten Stock Wernigerode
22.07.2021 bis 12.09.2021
Rezension »Neue Wernigeröder Zeitung«
Ein Fotograf mit großer Geduld
Fotografien von Rainer Zerback bis 13. Sept. in der Kunstvereinsgalerie im Ersten Stock
Im heutigen Sprachgebrauch würde man sie Wimmelbilder nennen, manche Fotografien von Rainer Zerback. Eine sehr eigentümliche Anmutung überkommt den Betrachter. Es sind fraglos echte Menschen, die da beispielsweise den Vorplatz des Kölner Doms bevölkern, und sie sind fraglos fotografiert, und doch drängt sich der Eindruck von Künstlichkeit auf.
Und in der Tat, es sind Montagen. Aus bis zu 1500 Einzelaufnahmen, die er im Laufe einiger Stunden gemacht hat, sucht Rainer Zerback in mühevoller Kleinstarbeit am Bildschirm die Figuren aus und setzt sie an genau derselben Stelle in das spätere »Wimmelbild« ein. Dadurch bleiben immer die Proportionen gewahrt.
Und doch würde man einen solchen Anblick in der Realität wahrscheinlich nie erleben. So wohlsortiert spielt sich das Leben nicht ab.
Sehr reizvoll, aber völlig am wahren Leben vorbei, ist das Bild vom Mont Ventoux in der Provence, wo sich Radfahrer, Wanderer und Motorradpiloten auf schmaler Straße drängen. Man möchte sich nicht vorstellen, was passierte, wenn plötzlich Leben in das Bild käme…
Man kann nun in der Ausstellung des Kunstvereins über den tieferen Gehalt solcher Bilder sinnieren, über die Allgegenwart der Menschen auch an abgelegensten Orten, man kann sich aber auch einfach an der Phantasie des Künstlers erfreuen, wie er seine Modelle gruppiert, wie sich Menschen in der Öffentlichkeit geben, man kann versuchen, Leute zu entdecken, die zweimal auf einem Bild sind…
Und dann hängen da in der Ausstellung noch Fotografien, die das genaue Gegenteil abbilden – menschenleere Landschaften mit waagerechter Horizontlinie, in denen nur ein Detail Bedeutung hat, beispielsweise ein rotes Fahrrad. Diese Bilder sind ebenfalls verfremdet, die Lichtstimmungen aufgehellt zu zarten Pastellfarben, die teils auch leicht verfälscht sind, die Hitze auszustrahlen scheinen, aber doch auch etwas Kühles haben. Zerback stellt sich selbst an den Automaten [Entwicklungsmaschine im Fotolabor, RZ], um die Abzüge dieser Aufnahmen zu erzeugen.
Die größte Schwierigkeit bei dieser Art Aufnahmen, die er unter dem Titel »Contemplationes« zusammengefasst hat, besteht übrigens nach den Worten des Fotokünstlers darin, die geeigneten Motive zu finden. Abwechslungsreiche Landschaften zu finden, die wir als schön wahrnehmen, ist vergleichsweise einfach, solche leeren Landschaften dagegen… Es war sein langwierigstes Fotoprojekt.
Eine Frage sei hier noch beantwortet, die fast jeder ältere Wernigeröder als erstes stellt: Ist Rainer Zerback mit Kurt Zerback verwandt? Dieser Wernigeröder war zu seiner Zeit, er lebte bis etwa 1980, ein sehr erfolgreicher Fotograf. Die Antwort ist: Nein!
Christine Trosin
Neue Wernigeröder Zeitung, 18.08.21, S. 6
Künstlergespräch zur Vernissage
Filmautor: Wolfgang Stürzebecher, Offener Kanal Wernigerode e. V., Sendung September 2021
Moderator: Rainer Schulze, Vorsitzender Wernigeröder Kunst- und Kulturverein e. V.