Heimspiel
Ulrich Schreiber, Metallplastiken – Rainer Zerback, Fotografie
Ausstellung im Kulturzentrum Herrenhof, Neustadt-Mußbach
02. bis 23.11.2025
Einführung Tina Stolt
Als das Kind Kind war,
ging es mit hängenden Armen,
wollte der Bach sei ein Fluss,
der Fluss sei ein Strom,
und diese Pfütze das Meer.
…Als das Kind Kind war,
war es die Zeit der folgenden Fragen:
Warum bin ich ich und warum nicht du?
Warum bin ich hier und warum nicht dort?
Wann begann die Zeit und wo endet der Raum?
Ist das Leben unter der Sonne nicht bloß ein Traum?
Peter Handke, das Lied vom Kindsein, 1986, für „Himmel über Berlin“ von Wim Wenders
Soweit ein Teil eines Textes von Peter Handke, der poetisch ein paar Fragen formuliert, die mir bei der Betrachtung dieser Ausstellung in den Sinn gekommen sind.
Wenn wir reisen, nehmen wir uns selbst mit. Wir nehmen unsere gehegten Vorstellungen mit, unsere Erinnerungen, unseren Stress und was wir sind.
Wohin und warum reisen wir an Sehnsuchtsorte, Rückzugs- und angesagte Orte, die wir irgendwo auf Bildern gesehen haben – aus kultureller Gewohnheit (die auch noch nicht so alt ist), als Statussymbol, als kleine Flucht? So viel Expeditionscharakter hat das Reisen längst nicht mehr, die Sehnsucht ist ein klein wenig fremdbestimmt und die kleine Flucht bringt uns bei den Places of Interest nicht gerade in die Einöde, die anderen sind auch schon da. Einsamkeit sieht anders aus. Statt uns in der Stille zu vergessen, sind wir also auch in der fernsten Ferne wieder konfrontiert mit den aktuellen Problemen und den Nachbarn, die uns zu nahe kommen. Und dennoch sind die Menschen da und genießen den Ausblick, jeder für sich.
Rezension »Die Rheinpfalz« - 30.10.2025
Neustadt
Wie füreinander geschaffen
Holger Pöschl
Der Herrenhof in Mußbach zeigt Metallplastiken des Mainzers Ulrich Schreiber und Fotografien des Ludwigshafeners Rainer Zerback
Hier haben sich zwei kongeniale Partner gefunden – das ist der Gedanke, der sich beim Rundgang durch die Ausstellung »Heimspiel« im Mußbacher Herrenhof sofort einstellt. Zu sehen sind Metallplastiken von Ulrich Schreiber und Fotografien von Rainer Zerback, die jeweils schon für sich aller Aufmerksamkeit wert wären, sich hier aber zu vielschichtigen und spannenden Rauminszenierungen verbinden.
Wer zwei- und dreidimensionale Kunstwerke zusammen zeigt, hat oft ein Problem: Die Plastiken verstellen den Blick auf die Bilder, diese wiederum locken das Publikum an die Wand und lassen die Skulpturen allein im Raum zurück. Bei Ulrich Schreiber und Rainer Zerback ergibt sich dieser Misston nicht, denn die Metallplastiken des Mainzers sind als skulpturale »Raumzeichnungen« angelegt, bestehen also nur aus Umrisslinien ohne Volumen, und stellen so trotz ihrer Größe keinerlei Hindernis dar. In der Kombination mit den oft großformatigen Fotografien von Rainer Zerback ergeben sich so immer wieder grandiose Blickachsen. Man könnte sagen: wie für einander geschaffen.
Wie interagiert der Mensch mit seiner Umwelt?
Tatsächlich jedoch ist dies jetzt die erste große gemeinsame Ausstellung der beiden Künstler, die sich erst 2018 bei der Landeskunstschau »Flux4Art« in Montabaur zum ersten Mal begegneten. Zerback habe damals Fotos von seinen Arbeiten gemacht, die ihn sehr beeindruckt hätten, sagt Schreiber. Der Grundstein für die Zusammenarbeit war damit gelegt.
Was Rainer Zerback, der nach langen Jahren in Mannheim inzwischen in Ludwigshafen-Gartenstadt lebt und arbeitet, als Fotokünstler drauf hat, hat er schon mit zahlreichen Projekten bewiesen, bei denen eigentlich immer die Frage im Mittelpunkt stand, wie der Mensch mit seiner Umgebung, mit belebter und unbelebter Natur, mit Landschaft, aber auch mit anderen Zeitgenossen interagiert – und das selbst in einer Werkfolge wie »The World Without Us«, die nur noch einen Nachhall menschlicher Existenz zeigte. Seine Bildsprache ist dabei distanziert und neutral, die Motive wirken alltäglich und offenbaren erst bei genauerem Hinsehen, dass sie künstlich arrangiert sind.
Im Herrenhof ist der gebürtige Stuttgarter jetzt mit zwei Untergruppen seiner Serie »Places of Interest« zu entdecken, für die er schon seit 2013 touristische Hotspots rund um den Erdball aufsucht und zum Ausgangspunkt für seine Fotoinszenierungen macht. Bei »Landscapes« handelt es sich um Naturlandschaften, die jeder einzelne Besucher selbstverständlich am liebsten für sich alleine hätte, die bei Zerback aber von wahren Pilgerströmen geflutet werden, bei »Squares« um ikonische Plätze großer Metropolen von London bis Berlin, die naturgemäß große Menschenmassen anziehen, von Zerback aber als Laufstege des Sehens und Gesehen-Werdens in Szene gesetzt werden.
»Ich verfälsche nicht die Realität, ich verdichte sie«
Die Bilder – aufgenommen mit 7 Meter hohem Hochstativ und starkem Weitwinkel – setzen sich jeweils aus einer Vielzahl von Einzelaufnahmen zusammen und wirken vom Aufbau, vom Zusammenspiel der Gruppen und Grüppchen her viel zu harmonisch, ohne Pulks, ohne Überschneidungen, um »echt« zu sein. Dabei bleibt auch der Humor nicht außen vor, etwa, wenn der Künstler am Piccadilly Circus gleich mehrfach die berühmte Abbey-Road-Szene mit den »Beatles« nachstellt oder besonders viele Passanten mit Rollkoffern einbaut. Bei der Nachbereitung greift Zerback übrigens ausschließlich auf Szenen zurück, die er am gleichen Ort und meist auch am gleichen Tag aufgenommen hat. »Ich verfälsche nicht die Realität, ich verdichte sie«, unterstreicht der 67-Jährige.
In der Ausstellung in Mußbach korrespondieren die »Places of Interest« nun perfekt mit einer Serie, in der Ulrich Schreiber Wohnwagen in Originalgröße aus Eisenrohren nachbildete. Darauf bezieht sich auch der Ausstellungstitel »Heimspiel«, denn es geht um die Ambivalenz zwischen Fernweh und der Sehnsucht nach dem Gewohnten, wie sie sich im Wohnwagen, dieser »Heimat auf Rädern«, ausdrückt. In einer genauso betitelten 180×240-Fotografie von Zerback haben die zwei die beiden Ansätze auch zusammengebracht. Der Textildruck zeigt Schreibers Wohnwagen, vervielfältigt auf dem Rollfeld eines Regionalflughafens in Mainz. Und die Zusammenarbeit soll weitergehen: Das nächste Projekt sind von Schreiber konzipierte Metall-Tretroller, die in Beziehung treten zu solchen, die Zerback in seinen »Urban Places« einbaut.
Metallarbeiten ohne jede Schwere
Dass der Mainzer Bildhauer mit Zweitwohnsitz in Burgund aber auch selbst »Wand kann«, zeigt eine weitere Serie: »Boîtes«, französisch für Dosen, besteht aus verschweißten Drahtstücken, die sich zu filigranen Reliefs zusammenfügen. Es sei ihm wichtig, seinen Arbeiten jene Schwere zu nehmen, die man gewöhnlich mit Metall assoziiert, sagt der in der Pfalz bislang noch wenig in Erscheinung getretene 64-Jährige, der übrigens ursprünglich Grafiker werden wollte und sich erst während des Studiums umentschied. Zum Glück!
Die Ausstellung
Die Ausstellung »Heimspiel« mit Metallplastiken von Ulrich Schreiber und Fotografien von Rainer Zerback wird am Sonntag, 2. November, um 11.15 Uhr in der Kunsthalle des Herrenhofs in Neustadt-Mußbach eröffnet. Die Einführung übernimmt Tina Stolt, Professorin für Bildnerische Praxis an der Universität Kaiserslautern-Landau. Die Ausstellung läuft bis 23. November. Öffnungszeiten: freitags von 17-19 Uhr, samstags von 14-18 Uhr, sonntags von 11-18 Uhr. Am Sonntag, 9. November, 16 Uhr, ist ein Künstlergespräch mit Rainer Zerback geplant.
Rezension »Wochenblatt« - 30.10.2025
»Heimspiel«
Kunst im Herrenhof vereint Metall und Fotografie
Mußbach. Am Sonntag, 2. November 2025, eröffnet in der Kunsthalle des Kulturzentrums Herrenhof in Neustadt-Mußbach,·Herrenhofstraße 6, die neue Ausstellung »Heimspiel«.
Die Vernissage beginnt um 11.15 Uhr, begrüßt wird das Publikum von Roderick Haas, Geschäftsführer der Fördergemeinschaft Herrenhof. In die Ausstellung führt Prof. Tina Stolt von der Universität Kaiserslautern-Landau ein.
Bis zum 23. November 2025 präsentieren der Fotograf Rainer Zerback aus Ludwigshafen und der Metallbildhauer Ulrich Schreiber aus Mainz ihre Werke. In einem spannenden Zusammenspiel aus Fotografie und Metallplastik entsteht ein vielschichtiges Geflecht aus Raum, Bewegung und Erinnerung.
Rezension »Leo« - 30.10.2025
Fotografie/Plastik: Rainer Zerback und Ulrich Schreiber in Neustadt
Ambivalenz der Mobilität
»Archäologie der Zivilisation« betreibt der in Ludwigshafen lebende Fotograf Rainer Zerback. Der Mainzer Metallbildhauer Ulrich Schreiber füllt den Raum mit dreidimensionalen Umrisszeichnungen. Beide Positionen bringt ein »Heimspiel« im Herrenhof Mußbach ab 2. November zusammen.


