Fotografie

Schwarz auf Weiß

40 Jahre Kunstverein Germersheim
Jubiläumsausstellung

05.11.2022 bis 04.12.2022

Rundgang

Einführung Günter Baumann

Sehr geehrte Damen und Herren, ich begrüße Sie aus der Ferne ganz herzlich zur Eröffnung der Ausstellung SCHWARZ AUF WEISS in den wunderbaren Räumen des Kunstvereins Germersheim. Aus der Ferne heißt: ich danke zunächst Anne-Marie Sprenger, die mir ihre Stimme leiht, um meinen weiteren herzlichen Dank für die Einladung auszudrücken, hier sprechen zu dürfen und so auch lassen zu dürfen. Sie haben als Eröffnungsredner Günter Baumann in der Einladung stehen – leider kann er nicht hier stehen, da er terminlich unabkömmlich ist und bei langjährigen Selbstversuchen noch keinen Erfolg hatte, sich einer Zweiteilung zu unterziehen, um einer seiner Lieblingsbeschäftigungen nachzugehen: über Kunst zu reden. Wenn Sie also nun schwarz auf weiß lesen, dass hier ein Stuttgarter Kunsthistoriker, Galerist und Kunstvereinsmensch steht, muss das nicht stimmen. Und dennoch ist es nicht falsch. Ich hatte das Vergnügen, die Ausstellung bereits exklusiv zu besuchen und weiß, was Sie nun sehen: Kunst, die so vielfältig ist wie das Leben, SCHWARZ AUF WEISS, und doch nicht ganz ohne Farbe. SCHWARZ AUF WEISS heißt auch eine ganze Palette von Zwischentönen, die das Leben ausmachen. Ich begrüße hiermit auch all die Künstler, die dazu beigetragen haben, dass diese Ausstellung zwar SCHWARZ AUF WEISS auftritt, aber keineswegs einer Schwarzweißmalerei das Wort beziehungsweise das Bild redet. Ich freue mich außerordentlich, dass ich mit vielen der hier vertretenen Künstlerinnen und Künstler seit geraumer Zeit vertraut bin, weshalb ich es umso mehr bedauere, dass ich nicht physisch anwesend sein kann.

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Rezension »Rheinpfalz«

Das Beste vom Besten

30 Künstler von Rang und Namen machen im Zeughaus Germersheim gemeinsame Sache, um den 40. Geburtstag des Kunstvereins zu feiern. »Schwarz auf Weiß« führen sie den eindrucksvollen Beweis, dass der Anspruch ihrer Gastgeber an Qualität und lnnovativität die Zeit überdauert hat.

Von Brigitte Schmalenberg

Dass es im kleinen Germersheim schon seit 40 Jahren einen großen Kunstverein gibt, ist an sich schon eine erstaunliche Sache. Wenn man dann die fantastischen Räume sieht, in denen sich die Kunst hier breit machen kann, wird schnell klar, dass das auch Begehrlichkeiten jenseits der Festungsmauern und sogar jenseits des Rheins weckt. Das alte Zeughaus mit seinen dicken Mauern, weiß gekalkten Wänden und lichtdurchfluteten Räumen, mit weiten Blickachsen und intimen Kojen in den zwölf Seitengewölben, schenkt der Kunst auf über 500 Quadratmetern einen unvergleichlichen Auftritt.

Für die Jubiläumsausstellung haben Marita Mattheck, die den Kunstverein seit über 20 Jahren leitet, und Anne-Marie Sprenger, die ihr als Stellvertreterin zur Seite steht, das Beste vom Besten herausgekitzelt und eine Ausstellung kuratiert, die mit vielen einzelnen Pfunden zu wuchern versteht, aber auch als Gesamtkonzept begeistert.

Mut zum Motto

Dass diese Jahrzehnte umspannende Werkschau trotz der vielen Künstler, die mit so völlig unterschiedlichen Positionen gratulieren, nicht kleinteilig, unruhig oder überladen wirkt, hat viel mit dem Mut zum Motto zu tun. »Schwarz auf Weiß« steht auf der Einladungskarte, und an diese Reduktion haben sich alle gehalten, was mit Understatement freilich nichts zu tun hat. Das offenbart schon der erste Blick in die Tiefe des Raums: Links unverkennbar drei beeindruckende Arbeiten des unvergessenen Jockgrimer Bildhauers Franz Bernhard. Rechts zwei wie Phönix aus der Asche hervorgegangene »Haus«-Skulpturen seines berühmten Karlsruher und Stuttgarter Kollegen Werner Pokorny. Und am Ende des Raums – dort, wo sich in einer Kirche der Altar aufrichten würde – drei mit sich selbst und ihrem Umfeld korrespondierende, mannshohe Holzskulpturen von Armin Göhringer, der im Schwarzwald verortet ist. Dieser starke, erste Eindruck rahmt die Geburtstagsschau, ohne die anderen Arbeiten an den Rand zu drücken.

Ganz im Gegenteil: Die erd-ehrlichen, stahlgerahmten Werke von Madeleine Dietz führen eine beredte Zwiesprache mit Bernhards rostigen Köpfen und nehmen als »Entfestung« sogar Bezug zum Ausstellungsort. Die raffiniert inszenierten Fotografien von Bernhard Bux spannen einen mentalen Bogen von Pokornys spielerischen Hausobjekten zu den wie architektonische Skizzen wirkenden Lichtaufnahmen einer Häuserfassade von Peter Braunholz. Sylvia Richter-Kundel aus Worms ist mit verblüffenden Fotos präsent, denn die weite Alpenlandschaft, die sie augenzwinkernd suggeriert, hat sie auf einem Rübenacker gefunden. Das Weglassen von Farbe ermöglicht den Künstlern ganz neue Ansätze bei der Umsetzung ihrer Ideen. Einerseits treten Formen, Strukturen, Materialien und Oberflächen deutlicher hervor und provozieren ein stetes Wechselspiel zwischen Hell und Dunkel. Andererseits schärft die Reduktion den Sinn für das Wesentliche und das Ausloten von Kontrasten. Für alles findet der Betrachter begeisternde Beispiele.

Die Kompromisslosigkeit der »gebogenen Stäbe« von Stefan Forler, die als Figur gewordene Rundstahlobjekte in minimalistischer Manier maximale Deutungskraft erwirken, ist genauso einzigartig wie der anmutige Zauber der zarten Seidenpapierkissen von Sophie Casado. Andrea Niessens »Hirngespinst«, ein von der Decke schwebendes wirres Konstrukt aus glänzenden Kabelbindern, kitzelt die Fantasie des Betrachters genauso wach wie Karl-Heinz Bogners vielfach verschachtelter, schematisch-modellhafter Gebäudeplan.

Tag und Nacht

Manche Künstler werden konkreter. Anne Janoschka übt mit ihrem Stoffobjekt »Milch und Öl« deutliche Gesellschaftskritik. Noch direkter sind die extrem geschärften Fotos von Rainer Zerback. Sie zeigen Grubenarbeiter dort, wo der Tag zur Nacht wird, und als Gegenpol Feldarbeiter in gleißendem Sonnenlicht. Man kann diese Menschen in ihrem harten Alltag trotz der kleinen Bildformate nicht übersehen - und doch will der zeitungslesende Wohlstandsbürger, der sich bei Bettina Kresslein vom Nichtstun erschöpft malerisch auf sein Bett niedergelassen hat, von derlei Realitäten nichts wissen.

Alle Künstler, die zur Jubiläumsausstellung eingeladen wurden – von den Lokalmatadoren wie Karl-Heinz Deutsch, der einen seiner »Knoten« beisteuert, über den Belgier Laurent Reypens, der extra einen Blumenstrauß aus Geschirr kreiert hat, bis hin zu den jungen aufstrebenden Künstlern wie Katharina Beron mit ihrer One-Woman-Glambage-Show – sie alle haben im Kunstverein schon zuvor ausgestellt. Und alle, so erläutert Mattheck die Bedingungen, die einer Einladung zugrunde lagen, haben sich in ihrem Werk immer wieder mit der Reduktion von Farbe befasst.

Unzählige Ausstellungen gab es in 40 Jahren, anfangs noch im Bürgersaal, dann im Finanzamt und im Ludwigsturm, garniert manchmal mit Lesungen, Konzerten, einem Extraprogramm für Kinder. Eine Werkschau unter ihnen sei besonders in Erinnerung geblieben: 2006 habe der Kunstverein der renommierten Bildhauerin Madeleine Dietz eine Einzelausstellung angeboten. Doch als die Künstlerin die stattlichen Räumlichkeiten mit den zwölf Gewölben sah, fand sie sich geradewegs dazu berufen, auch ihre Kollegen mit ins Boot zu holen, sie just hier zu »12 statements aus Rheinland-Pfalz« zu vereinen und damit den Neustart der zuvor aus den Fugen geratenen Landeskunstausstellung zu initiieren.

Termin

»Schwarz auf Weiß«, 40 Jahre Kunstverein Germersheim, 4. November bis 4. Dezember im Zeughaus Germersheim: Sa 15-18 Uhr, So 14-18 Uhr. Finissage ist am 4. Dezember mit einem Kunstcafé.

Rheinpfalz, 05.11.2022

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