Fotografie

Zellstoff

Ausstellung »Coronale« im Mannheimer Kunstverein

25. bis 27.09.2020

Rezension »Mannheimer Morgen«

Kunst: Mit der »Coronale« zeigt der Mannheimer Kunstverein Werke aus der Coronazeit – und unterstützt deren Schöpferinnen und Schöpfer

Sie haben den Humor nicht verloren

Von Helga Köbler-Stählin

Die »Coronale« beginnt. Endlich wieder Kunst! Und die, soweit das Auge reicht. Denn in den Räumen des Mannheimer Kunstvereins sind 140 Akteure in einer Gruppenausstellung vereint. Dennoch ist es keine Ausstellung im eigentlichen Sinne. »Es ist eine Unterstützungsaktion«, bekundet der Vereinsvorsitzende Friedrich Kasten, »eine reine Verkaufsausstellung, hundert Prozent zugunsten der Kunstschaffenden.« Dass die Idee großartig ist und von den Künstlern so wunderbar angenommen wurde, lässt sich an den ausgewählten Werken ablesen. In Zeiten der Pandemie, wo Ausstellungen den Beschränkungen zum Opfer fallen, wo Kunst demnach rar ist und Künstler mangels Einnahmen leiden, zeigen einige von ihnen, dass sie den Humor nicht verloren haben. Da könnte man beispielsweise das Virusmonster einfach in einer Vase verstecken, da fliegt der Malerkittel schon mal weg, Autoreifen werden vorerst eingelagert, und falls der Lockdown wie in unseren Landen nicht allzu einschränkt, die bequeme Wohnzimmercouch vorab ins Freie gestellt. Auf der Empore kapselt eine bunte Vireninstallation den Schädling einfach ein, und es ist erfreulich, dass sich in einem Wandobjekt die Erreger im Rahmen halten. Ganz klar zu erkennen ist Donald Trump, als schicke amerikanische Lady getarnt, die flötet: »Wenn sie keinen Impfstoff haben, sollen sie sich Desinfektionsmittel spritzen«.

Die umfangreichste Schau

Die Ironie tut gut. Aber verständlicherweise sind auch Ängste zu sehen; wie die Wasserwaage, die zwar im Lot ist, der Hintergrund jedoch sein Gleichgewicht verliert. Ein Bangen, durch den wirtschaftlichen Einbruch hervorgerufen, der in Form von Metallwerkzeug und Verkehrshütchen sehr ästhetisch, aber warnend schrill informiert. Vom armen Kerl im Eingangsbereich ganz zu schweigen, der seine Existenz bereits an den Nagel gehängt hat. 208 Künstler und Künstlerinnen hatten sich für die »Coronale« beworben, doch nicht alle erfüllten die Auswahlkriterien. Die Arbeiten sollten während der Pandemie entstanden sein, die Maler, Grafiker, Bildhauer, Videokünstler oder Fotografen in der Rhein-Neckar-Metropole leben und arbeiten. 140 von ihnen wurden am Ende eingeladen, brachten eine oder zwei Arbeiten mit, und damit ist es die umfangreichste Schau, die der Kunstverein in seinen 187 Jahren Existenz je präsentiert hat.

Ob die Werke als Mahnungen, Erinnerungen oder ganz einfach als Fakten zu lesen sind, bleibt dem Betrachter überlassen. Die tote Ratte in der Straßenrinne, darüber ein Krankenhauszimmer mit abgedeckten Betten, erinnern an Tod und Pest und gehen schon unter die Haut. Wenn auch noch ein Mann mit Maske vor dem verschlossenen Fenster eines lieben Menschen steht, ein kleines Mädchen den Mund-Nasenschutz fest in der Hand hält, berichtet das wortlos vom Ernst der Lage.

»Stay home« zeigt eine zwar schöne, aber vollkommen menschenleere Landschaft, Männer mit Atemmasken sprechen ebenso für sich, und zerklüftete Objekte berichten von einem jäh unterbrochenen Alltag. Es gibt viel zu sehen. Zu erforschen. Man könnte lange verweilen. Vor Landschaftsbildern, Malereien, Abstraktionen, Collagen, feinen Zeichnungen, Wand- oder Bodeninstallationen, den Videokästen oder Fotografien. Und wer will, kann gedanklich sein Spiegelbild in den leeren Rahmen projizieren, sich selbst im abgeklebten Spiegel betrachten und dabei sein eigenes Verhalten hinterfragen.

»Was wir heute tun, entscheidet darüber, wie die Welt morgen aussieht«, sind die klaren Worte der Marie von Ebner-Eschenbach, die als Grafik aufbereitet sind. Und eins und eins ergibt nicht unbedingt zwei. Jeder, so auch dieser künstlerische Gedanke, steht für sein soziales Verhalten. Sicher wünscht sich manch einer die Zeit zurück. Trauert, sieht das bunte Leben schwinden und in der Vergangenheit die unerschütterliche Schönheit. Bei all dem, so erinnert der Kunstverein seine Besucher, »war es nie einfacher, die in den letzten Monaten schmerzhaft von ihrem Publikum abgeschnittenen Künstlerinnen und Künstler wirksam zu unterstützen.«