Fotografie

Visiones

Ausstellung »Fotografie jetzt« im Kunstverein Germersheim

07.03.2020 bis 05.04.2020

Rundgang

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Rezension »Rheinpfalz«

Jenseits der Realität

Fulminante Ausstellung »Fotografie jetzt« im Zeughaus Germersheim zwischen überscharfen Porträts und flirrenden Straßenzügen

VON BARBARA EICHENLAUB

GERMERSHEIM. Fotografie ist mehr als das bloße Abbilden der Realität. Das zeigt die Ausstellung des Kunstvereins Germersheim, die heute in den Gewölben des Zeughauses eröffnet wird als fulminanter Einstieg ins Jahresprogramm. Arbeiten von vier hochkarätigen Künstlern sind parallel zur »Biennale für aktuelle Fotografie« in Ludwigshafen zu sehen.

Detlef Böhmer aus Neuwied zeigt Architekturfotografie, die zwischen 1997 und 2002 entstanden ist. Mit seiner analogen Kamera hat er Motive in Paris eingefangen, das durch viele große Bauwerke geprägt ist und sich ständig wandelt – darunter auch Touristenattraktionen wie die Louvre-Pyramide. Bekannte Ansichten verfremdet er, indem er nur Ausschnitte zeigt, noch dazu aus einer ungewohnten Perspektive. Die Totale des Eiffelturms durchbricht er horizontal mit im Vordergrund verlaufenden Schienensträngen. Seine Schwarz-Weiß-Fotos sind Handabzüge auf Silbergelatine- oder Barytpapier.

Dieter Kühn aus Wörth ist bisher den meisten Kunstfreunden in der Region als Maler bekannt. In Germersheim überrascht und gefällt er dagegen mit Fotografien, die er als »digitale Grafik« bezeichnet. Dabei ist der Begriff Grafik im Grunde zu eng gefasst. Denn seine Fotografien collagiert er zunächst digital und übermalt sie anschließend noch einmal händisch. Seit fünf Jahren arbeitet Kühn so. Immer bleibt der Maler und Ästhet in den Kompositionen spürbar. Manche Motive wie »Birken« wirken wie impressionistische Gemälde, in denen sich bei längerem Betrachten immer mehr Schichten auftun.

Ganz direkt, pur und ohne Beiwerk hat der Ludwigshafener Rainer Zerback weit über 50 Falkner aus Deutschland und Österreich in seiner Serie »Visiones« porträtiert. Der Künstler nennt seine Aufnahmen sogar Doppelporträts, denn er möchte beim Blick durch den Sucher die Persönlichkeit des Falkners oder der Falknerin und genauso die majestätischen Vögel beschreiben. In Germersheim sind 32 Mensch-Tier-Paare zu sehen – ein jedes für sich besonders. Die Greifvögel sind ihren Menschen zugewandt, spreizen ihre Flügel zum Abheben oder wirken abwesend.

Einen starken Kontrast zu den fast überscharfen Doppelporträts setzt Gerd Wiedmeier mit seinen »Blickrichtungen«. Der Stuttgarter, der dieses Jahr auch auf der Messe Art Karlsruhe zu sehen war, kehrt die Technik der Wachsmalerei Enkaustik quasi um. Am Anfang steht auch bei ihm die Fotografie als Einfach- oder Mehrfachbelichtung. Die Motive projiziert er auf eine Wachstafel, sodass Konturen, Linien und Kanten verschwimmen. In einem letzten Schritt erfolgt die Laserbelichtung für zwei bis drei dieser flirrenden Exemplare auf Fotopapier unter Acrylglas.

So werden aus kühlen, schlichten Straßenzügen und Hausfassaden zart-farbige, weich-gezeichnete Kunstgebilde. Über den Bildern scheint ein Schleier zu liegen, der sie geheimnisvoll macht.

TERMIN

»Fotografie jetzt« im Zeughaus Germersheim: samstags 15-18 Uhr, sonntags 14 -18 Uhr. Vernissage heute um 17 Uhr mit der Kunsthistorikerin Andrea Nisters. Finissage am Sonntag, 5. April, ab 15 Uhr.

SWR aktuell - 06.03.2020