Fotografie

                                                                                                             Foto: Dorothea Burkhardt

Places of Interest / Geopolis

Ausstellung »Radiale - Kunst im Kreis 2018«, Schloss Neckarhausen, Edingen-Neckarhausen

22.04. bis 10.06.2018

Einführung Hans Gercke

Was bisher Kreiskulturwoche und Atelier und Künstler genannt wurde, heißt jetzt Radiale. Der neue Name, nach langen und kontroversen Diskussionen geboren, versteht sich nicht als modische Kosmetik, sondern als Programm – als Programm freilich, das bereits vor vier Jahren als behutsame Modifikation und Fortschreibung einer über Jahrzehnte bewährten Tradition erarbeitet wurde und sich somit seinerseits bereits bewährt hat: die Neubenennung war mithin überfällig.

Radiale – das Kunstwort leitet sich vom Kreis, dem Radius, und den Strahlen ab, die von einem Zentrum ausgehen und in die Peripherie hinauswirken, und von dieser, umgekehrt, Impulse aufnehmen und zum Zentrum zurückführen. Anregungen unterschiedlichster Art werden gebündelt, auf den Punkt gebracht, verdichten sie im Erfahren, im Erleben, in einer Ausstellung, im Kunstwerk, im Blick des Betrachters. Das Bild solch vielfältig wechselseitiger Kommunikation, im neuen Logo trefflich veranschaulicht, ist vielseitig beziehbar – sowohl auf Kunst generell, auf ihr Entstehen und ihre Wahrnehmung, aber auch ganz konkret auf den Kreis, den Landkreis, und seine kulturellen Aktivitäten.

Der Info-Text des aktuellen Kreiskultur-Programmheftes bringt es seinerseits auf den Punkt: »Mit Radiale – Kunst im Kreis will der Rhein-Neckar-Kreis dem veränderten Profil seiner Kulturarbeit gerecht werden und löst damit nach über 20 Jahren den Titel Atelier und Künstler ab.«

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Was aber hat sich gegenüber früher geändert? Nun, die wichtigsten Veränderungen bestehen darin, dass das Spektrum möglicher Teilnehmer einerseits erweitert wurde – konkret über den Bereich des Rhein-Neckar-Kreises hinaus auf die gesamte Metropolregion –, andererseits aber die Zahl der von der Jury ausgewählten Künstlerinnen und Künstler drastisch reduziert zugunsten einer umfang-reicheren und damit repräsentativeren und intensiveren, letztlich aussagekräftigeren Präsentation. Dabei spielte eine strengere Auswahl durch die Jury ebenso eine Rolle wie die begrenzte Zahl möglicher Ausstellungorte, denn auch dies gehört zu den wesentlichen Veränderungen:

Das bisherige Konzept der Wanderausstellung wurde gleichsam auf den Kopf gestellt, indem nämlich jetzt nicht mehr die große Gruppenausstellung – häufig waren bis zu 40 Künstlerinnen und Künstler beteiligt – durch die Region wandert und an ausgewählten Orten gastiert, sondern nun, umgekehrt, die Besucher eingeladen und aufgefordert sind, von Ort zu Ort zu »wandern« und sich anzusehen, wie die von der Jury ausgewählten Künstlerinnen und Künstler in der konkreten Auseinandersetzung mit ebenfalls sorgfältig ausgewählten Örtlichkeiten ihre Arbeiten konzipieren und präsentieren.

Dabei geht es eben nicht allein um die isolierte Betrachtung einzelner Werke, sondern vor allem auch um einen dynamischen, kommunikativen Prozess, um den Dialog der Kunstwerke unter einander und mit dem jeweiligen Raum und seinen Vorgaben. Allerdings erwies sich, wie bereits angedeutet, die Zahl der verfügbaren Ausstellungsorte als begrenzt – sowohl aus technischen als auch aus logistischen Gründen. Es hatte sich gezeigt, dass mehr als vier Orte organisatorisch kaum zu bewältigen sind. Dabei kristallisierte sich heraus, dass jedes Mal die beiden Kulturzentren des Kreises, das Kommandantenhaus auf dem Dilsberg und die ehemalige Stiftskirche Sunnisheim in Sinsheim, als feste Stationen dabei sein sollten – wir haben dort, an beiden Orten, am vergangenen Sonntag unter reger Beteiligung eines regionalen und überregionalen Publikums die erste Hälfte der diesjährigen Radiale eröffnet. Ich kann Ihnen, sofern nicht schon geschehen, nur raten, sich auch diese Ausstellungen anzusehen – Gelegenheit besteht u.a. bei der kostenlosen Busfahrt mit Künstlern und Kuratoren zu sämtlichen Radiale-Orten am 6. Mai.

Zu diesen beiden somit festgelegten Örtlichkeiten sollen dann aber jedes Mal zwei wechselnde Orte möglichst unterschiedlicher Prägung hinzukommen. In diesem Jahr sind es, bereits zum zweiten Mal, das Schloss in Neckarhausen und das Rathaus in Leutershausen-Hirschberg – die Ausstellungseröffnung dort findet heute um 16 Uhr statt und empfiehlt sich für einen kleinen Nachmittags-Ausflug an die Bergstraße. Meine Kollegin im Team der Jurymitglieder und Kuratoren, Barbara Auer, wird Sie dort empfangen und in die Ausstellung einführen.

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Hier in Neckarhausen, und damit bin ich beim eigentlichen Thema meiner Einführung, gibt es viel zu sehen, insgesamt 41 Arbeiten von fünf Künstlerinnen und Künstlern. Die Ausstellungsräume des Schlosses ermöglichen eine großzügige Präsentation ganz unterschiedlicher künstlerischer Positionen, sodass sich den Besucherinnen und Besuchern ein kontrastreiches Panorama sehr verschiedenartiger Materialien, Medien, Formen und Inhalte bietet – ich denke, Sie haben sich schon einen ersten Eindruck davon verschafft. Malerei ist in dieser Ausstellung, und zwar in sehr unterschiedlicher Ausprägung, ebenso vertreten wie Fotografie, wie skulpturale Konzepte und räumliche Inszenierungen. Auch akustische Komponenten sind einbezogen.

Im Folgenden möchte ich Ihnen, ohne Ihnen die persönliche und kreative Auseinandersetzung mit den einzelnen Arbeiten abnehmen zu können oder zu wollen, eine kurze Wegleitung mit ein paar Hinweisen geben, die vielleicht zum besseren Verständnis hilfreich sind – wobei anzumerken ist, dass es bei der Begegnung mit Kunst nicht unbedingt und in jedem Fall um eine »Verstehen« gehen muss oder kann. Es ist wie im »wirklichen Leben«: Man muss nicht alles verstanden haben, um davon berührt zu werden.

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Unser virtueller Rundgang beginnt im »Rosa Salon« am oberen Ende der Treppe links – ich nenne ihn nun einmal so, nach der Farbigkeit seiner Wände. Bei der Verteilung der Räume auf die Künstler war allen Beteiligten sofort und spontan klar, dass an diesen Wänden nur einer der fünf »Auserwählten« seine Arbeiten zeigen könne, und dieser eine war Rainer Zerback, 1958 in Stuttgart geboren und heute in Ludwigshafen ansässig. Mit seinen Fotoarbeiten beginnt auch die Nummerierung der Bilder, eine Liste liegt aus, mit deren Hilfe Sie die jeweiligen Titel auffinden können. Wir haben uns, außer bei der letzten Station der Ausstellung, dazu entschlossen, keine Schildchen an den Bildern anzubringen, da diese unserer Erfahrung nach meist nur den Blick vom Kunstwerk ablenken und dazu verführen, sich mit der vermeintlich im Titel gegebenen Erklärung zufrieden zu geben.

Zerback arbeitet in Serien, mit denen er sich zum Teil jahrelang beschäftigt, ständig auf der Suche nach neuen zum jeweiligen Thema passenden Motiven, die er, zum Teil durchaus kritisch und mit leiser Ironie, intensiv bearbeitet. Seine Arbeiten bestechen durch eine extreme Prägnanz, die dem Realismus seiner Bilder einen Hauch von surrealer Unwirklichkeit verleiht. Dem aufmerksamen Betrachter werden Spuren verfremdender Bearbeitung nicht entgehen.

Die Ausstellung zeigt Beispiele aus Zerbacks Serien »Geopolis« und »Places of Interest«. Im einen Fall geht es um das Wuchern funktionalistischer Architektur in Städten, in denen keine Menschen mehr zu sehen sind – vielleicht brauchen wir sie ja auch bald nicht mehr in der »Brave New World« einer nahen Zukunft von selbstfahrenden Autos und künstlicher Intelligenz.

Mit den erwähnten kontrastieren andere Bilder, auch räumlich den vorgenannten gegenüber gestellt, in denen die majestätische Ruhe und Schönheit unberührter Landschaften genau durch diejenigen zerstört und ad absurdum geführt wird, die eben dieser Ruhe und Schönheit wegen angereist sind, in Scharen und natürlich ausstaffiert mit dem passenden »Trekking-Outfit«.

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Auf unserem Weg durch die Ausstellungsetage gelangen wir dann zum Flur. Zu Beginn begrüßt uns im Silberglanz gleich in zwei Größen das große »K«, das Signet des Künstlers Konstantin Voit. Voit ist in der Silvesternacht 1964 geboren, sein zweiter Vorname »Silvester« hält dieses Ereignis fest. Man darf dem einstigen Polke-Schüler und heutigen Direktor und einzigen Angestellten der von ihm gegründeten »Mannheimer Malfabrik«, zu dem begehrten Stipendium der Cité internationale des Arts in Paris gratulieren, das er demnächst antreten wird. Auch er arbeitet in Serien, die er »Blöcke« nennt, und auch er beschäftigt sich, wie Rainer Zerback, wenngleich auf völlig andere Art und Weise, mit unserer moderner Welt und ihren Ausdrucksformen.

Seine streng konzeptuelle, einerseits in ihren Parametern präzise festgelegte, innerhalb dieses Rahmens aber überraschend vielfältige und freie Kunst wurzelt in der Graffiti-Szene, in Graphic Design, in Pop Art, Alltagskultur und Werbung, hat aber durchaus auch ihre historischen Komponenten, etwa in Bezug auf Schriftkunst, illuminierte Handschriften, Heraldik und vor allem jene historische Mal- und Zeichenschablone, die Voit vor Jahren auf einem Pariser Flohmarkt erstand und die ihn dazu brachte, solche grafischen Hilfsmittel systematisch zu sammeln: Mittlerweile umfasst seine Schablonensammlung weit mehr als 10.000 Exemplare.

Die Schablonen bilden den Ausgangspunkt eines sehr eigenen, auf Kombination und schichtweiser Überlagerung der Formen basierenden Zeichensystems, eines buchstäblich unerschöpflichen Repertoires von schematisierten Gestaltungsmöglichkeiten, die u.a. trefflich geeignet sind zur Fertigung von Porträts einer etwas anderen Art, im Falle unserer Ausstellung Bildnisse prominenter Fußball-Größen.

Seinen Beitrag zur Ausstellung beschreibt der bekennende Fußball-Fan Voit wie folgt: »Aktuelle Lieblinge werden in Szene gesetzt, Vereins- und Nationalfarben in Streifen und Embleme aufgelöst, die obligatorische Rückennummer darf ebenso wenig fehlen wie typische Merkmale des betreffenden Stars: Cristiano Ronaldo als breitbeiniger Pistolero, Arjen Robben als Schwalbenkönig oder Fernando Torres als ewig junger Boy ...«

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Der Korridor führt uns weiter und direkt auf den Raum zu, den Jutta Steudle mit einem Ensemble von vier Arbeiten bespielt, deren Grundsubstanz Papier ist, wobei gleichwohl Farbe, Folie, Fäden und Bitumen wesentlichen Anteil an der Gestaltung haben. Die 1972 in Stuttgart geborene, heute in Mannheim lebende Künstlerin hat in Karlsruhe Bildhauerei studiert. Sie benutzt Papier nicht als Bildträger, sondern als Material plastischer Gestaltung. Bearbeitungen unterschiedlichster Art kommen zur Anwendung – Papier so heißt es ja, ist geduldig:

Da wird eingefärbt, gefaltet, gefeuchtet, gerollt und fast bis an die Grenzen der Belastbarkeit des Materials gewrungen und schließlich wieder entfaltet und getrocknet, wobei von all diesen Handlungen Spuren sichtbar bleiben, konserviert werden und schließlich zu Mustern und Rhythmen führen, die – im spannenden Dialog von Ordnung und Chaos, Gewalt und Widerstand, Absicht und Zufall künden. Im Zwischenbereich von Zwei- und Dreidimensionalität entstehen so, von Licht und Schatten vielfältig modelliert und moduliert, sensible, sehr poetische, gleichermaßen minimalistische wie detailreiche Objekte, die an naturhafte, an geologische und organische Bildungen erinnern, Objekte, die sich im Raum behaupten und ihrerseits Raum beinhalten. Die Künstlerin selbst äußert sich zu ihren Arbeiten wie folgt:

»Meine Arbeiten bewegen sich vor allem im dreidimensionalen Bereich, auch wenn dies den Arbeiten nicht immer gleich zuzuordnen ist. Oft entstehen Anordnungen aus mehreren Elementen, die zu sich und zum Raum in Beziehung stehen. Es entstehen Wechselbeziehungen. Schließlich befindet sich auch unsere Realität im dreidimensionalen Raum. Ich begreife mich nur in Beziehung zu mir und zum Raum. Die Faltungen der Papierarbeiten etwa machen aus zweidimensionalem Papier ein dreidimensionales Gebilde. Selbst die minimale Wölbung nimmt Bezug zum Raum ... Der Raum spielt eine wichtige Rolle, denn nur im Raum kann etwas entstehen. Zwar reagiere ich nicht direkt auf den umgebenden Raum, dennoch nimmt meine Arbeit stets Bezug auf ihn.«

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Hat in allen bisher betrachteten Kunstwerken die Farbe immer auch eine wichtige Rolle gespielt, so treffen wir in den Arbeiten der 1962 in Heidelberg geborenen Anne Janoschka erstmals auf Bilder, die – im Gegensatz zu allen zuvor besprochenen – ohne Zögern und eindeutig der Gattung »Malerei« zugeordnet werden können. Man könnte – vorschnell – die hier vorgestellte Position konventionell nennen, wäre da nicht der ausgesprochen subversive Umgang der Künstlerin, die von 1981-1988 Bildende Kunst, Kunstgeschichte und Germanistik an der Universität Mainz studiert hat und heute in Ottersheim in der Pfalz lebt, mit ihrem Medium, wobei ebenso faszinierende wie verblüffende, zum Teil aber auch beunruhigende Ergebnisse entstehen.

Auch hier geht es um die Interaktion von Raum und Fläche, allerdings ganz und gar integriert in das traditionelle Konzept des zentralperspektivisch konstruierten, stimmig illusionistischen Bildraumes, das in diesen Bildern auch nicht vordergründig durch quasi kubistische oder surreale Störfaktoren ausgehebelt wird – es sei denn durch einen nicht wirklich definierbaren grau strukturierten Hintergrund, der bei einigen Arbeiten, eher unauffällig, dafür aber umso bedrohlicher, die Bildbühne hinterfängt. Abgesehen davon irritieren diese Bilder paradoxerweise gerade aufgrund des scheinbar vertrauten Mediums durch ihren schonungslosen Realismus und die bedrängende Nahsicht der den Betrachter attackierenden Gegenstände, Farben und Formen.

In beunruhigender Dichte und Vielfalt füllen sie den Bildraum. Oder sie treten, kaum vertrauenerweckender, als einsame, gerade in ihrer Alltäglichkeit irritierende oder in ihrer Rätselhaftigkeit beunruhigende Requisiten vor einem völlig unpassenden Hintergrund auf, der auch ein Bild im Bild, ein Gemälde etwa, eine farbige Leinwand, eine Theaterkulisse, sein könnte. Alles mutet irgendwie künstlich an, gerade weil es sich so unverblümt realistisch gibt. Scheinbar Vertrautes wird fremd und frag-würdig, Außen mutiert zu Innen, Perspektiven wechseln, Sicherheit wankt. Der von zartem Gewölk vielfarbig nuancierte Himmel entpuppt sich als Tapete, Wände werden zu Kulissen eines imaginären Theaters. Was mag da gespielt werden? Und was mag sich wohl verbergen in dem großen roten Tuch, das da vom Himmel herabhängt? Der Bildtitel erläutert, verrät jedoch nichts: »In petto« ...

Was aber den mehrfach angesprochenen Dialog mit den Ausstellungsräumen betrifft, so gewinnen die hier gezeigten, in aller Regel auf dokumentierenden Fotografien basierenden, ärmlich anmutenden Interieurs aus dem europäischen Osten, die bühnenhaften Präsentationen einzelner Requisiten und Möbelstücke, die Schlafwagen-Coupés und die plüschigen Ornamente im Kontext der Schloss-Räume noch einmal eine ganz besondere Dimension inhaltlicher Spannung.

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Schließlich, und damit endet sowohl unser virtueller Rundgang als auch meine einführende Rede: Das Schloss hat auch eine Kapelle. Sie ist normalerweise nicht für Ausstellungen zugänglich, wird aber gelegentlich für religiöse Veranstaltungen genutzt. Ihre künstlerisch beachtliche Ausstattung aus dem 18. Jahrhundert – seltsam aus ihrem architektonischen Zusammenhang gelöste Fragmente, die vermutlich aus Beständen in der Säkularisation aufgelöster Klöster stammen – hat Anna Debora Zimmermann zu einer installativen Intervention mit dem Namen »Save« angeregt.

Die in Süddeutschland geborene, heute in Heidelberg lebende Künstlerin, die an der Heidelberger Universität und in Berlin Ur- und Frühgeschichte, Klassische Archäologie, Ethnologie und Religionswissenschaften studierte, außerdem Tanz in den USA und Bildende Kunst in Mannheim, hat viele Länder bereist. Längere Auslandsaufenthalte führten sie nach Griechenland, in die Türkei und nach Sri Lanka, in Bonn absolvierte sie außerdem eine Qi Gong-Ausbildung.

Entsprechend vielseitig ist ihr künstlerisches Schaffen. Es umfasst Zeichnungen, Lyrik, skulpturale und installative Arbeiten, Inszenierungen mit Texten, Klängen und Licht, mit Objekten und ungewöhnlichen Materialien wie Salz, Säuren, Kupfer, Edelmetallen, Lack, Holzkohle, Erde und Asche, um nur einige zu nennen.

Wir erreichen die Kapelle durch das »Vorzimmer«, in das wir bei unserem Rundgang bereits einen Blick geworfen haben. Hier hat die Künstlerin den Boden mit dunkler Erde bedeckt – bitte nicht betreten! – , aus der seltsame pflanzenartige Gebilde sprießen. Assoziationen an Pflanzen, an Friedhof, an technoides Kinderspielzeug mögen sich einstellen, aber es wäre nicht im Sinne der Künstlerin, sich hier auf eindeutige Erklärungen festzulegen. Offenheit ist ihr wichtig, jeder darf und soll seine Fantasie spielen lassen. Der Titel der Installation, »Ubi sunt?«, gibt die Richtung an: Wo sind sie?

In den Bänken der Kapelle ersetzen in seltsamem Kontrast Schwimmwesten die Menschen. Wispernde Stimmen werden hörbar. Flüstern sie Gebete? Werden Gedanken hörbar? Erinnerungen? Bekenntnisse? Geständnisse? Träume? Traumata? Albträume?

»Save« – die Installation hat im Schaffen der Künstlerin eine lange Vorgeschichte. Sie wurde letztlich angeregt durch die Schreckensbilder ertrunkener Flüchtlinge und stellt die Frage nach Sicherheit, Heil und Rettung. Lässt sich Rettung im Raum der Kirche finden, in Glauben und Religion? Ubi sunt? Save? Kunst gibt keine Antworten, wohl aber Denkanstöße.

© Prof. Hans Gercke, im April 2018

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Katalogtext Susanne Kaeppele

Places of Interest

Rainer Zerback fotografierte 2013 in Island und 2015 im Südwesten der USA seine Serie »Places of Interest«. Schon lange interessieren den Fotografen Orte, die Einsamkeit und Ruhe versprechen, sich aber dann genau in ihr Gegenteil verwandeln, nämlich zu Hotspots des Massentourismus werden. Eigentlich suchte der Fotograf im Zurückgezogensein die Stille und die Menschenleere, auch im Inneren, die dann von zahllosen anderen mit dem gleichen Bedürfnis empfindlich gestört wurde.

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